Zwei GöttingerInnen klüngeln mit der Neuen Rechten

Schunkes „liberale“ Maßnahmen in puncto Geflüchtete.
Schunkes „liberale“ Maßnahmen in puncto Geflüchtete.

Mit dem emeritierten Professor Bassam Tibi und der Geschichts- und Politikstudentin Anabel Schunke sind gleich zwei GöttingerInnen in die Berliner Bibliothek des Konservatismus im kommenden November eingeladen. Diese ist ein zentraler Ort der bundesdeutschen Neuen Rechten. Am Auftritt dieser beiden „liberalen“ AutorInnen lässt sich ferner die politische Strategie dieser Spielart der Extremen Rechten in ihrem Ringen um Köpfe und Diskurshoheit erklären.

(Für nachfolgende Fachbegriffe wie Neue Rechte, Metapolitik, Konservative Revolution und völkisch empfehlen wir die Erklärungen in dieser Broschüre der Basisdemokratischen Linken)

von Basisdemokratischen Linken Göttingen

Bas­sam Tibi, der im begin­nen­den Win­terse­mes­ter wieder ein Sem­i­nar am Göt­tinger Insti­tut für Poli­tik­wis­senschaft anbi­etet, soll am 24. Novem­ber in der Bib­lio­thek des Kon­ser­vatismus einen Vor­trag mit dem Titel „Europa ohne Iden­tität? Europäisierung oder Islamisierung“ hal­ten. Laut Vor­trags­beschrei­bung wird er dort die These präsen­tieren, die Geflüchteten wür­den „die europäis­che Kul­tur, die auf Ver­nunft und Aufk­lärung fußt“ und indi­vidu­elle Men­schen– und Frei­heit­srechte garantiere, ins Wanken brin­gen. Tibi sieht in der absoluten Mehrzahl der Geflüchteten TrägerIn­nen von anti­demokratis­chen und „total­itären“ Ide­olo­gien. Ähn­liche Posi­tio­nen ver­trat Tibi bere­its in einem Interview mit der „Welt“, in welchem er über Göt­tin­gen erzählte, die Stadt sehe aus „wie ein Flüchtlingslager“ und es wür­den migrantis­che „Gangs“ in den Straßen der Innen­stadt für Angst und Schrecken sor­gen. Eine Äußerung, die auf­grund ihrer Welt­fremd­heit in Göt­tin­gen selbst auf bre­ite Kri­tik und einiges Gelächter stieß.

Die Rolle der Bibliothek des Konservatismus für die Neue Rechte

Diese Äußerun­gen, weit­ere ras­sis­tis­che Aus­fälle wie ferner das offen­sichtliche Unver­mö­gen des Adorno– und Horkheimer-Schülers Tibi, auch die bürg­er­lichen Gesellschaften in Europa als Entste­hungs– wie Repro­duk­tion­sort men­schen­feindlicher Ide­olo­gien zu begreifen, wären schon kri­tik­würdig genug. Nun stellt sich jedoch die Frage, warum der selb­ster­nan­nte Vertei­di­ger der Aufk­lärung seine poli­tis­chen Posi­tio­nen in einer Insti­tu­tion bun­desweit bekan­nter Aufk­lärungs­feinde präsen­tiert. Denn die 2013eröffnete Bib­lio­thek des Kon­ser­vatismus (BdK) ist einer der zen­tralen Orte der bun­des­deutschen Neuen Rechten, oder genauer, seines auf Ser­iösität bedachten Flügels um Dieter Stein und Karl­heinz Weiß­mann (Zur Spal­tung im neurechten Lager siehe hier). Weiß­mann, im Übri­gen eben­falls Göt­tinger und zu allem Über­fluss auch noch Lehrer für Geschichte, sprach erst Anfang Sep­tem­ber wieder über sein neuestes Buch, das beim Ver­lag der „Jun­gen Frei­heit“ erschienen ist und alt­bekan­nte rechte Hetze ver­bre­itet: in ihm wer­den Äng­ste durch Weiß­manns War­nun­gen vor „unkon­trol­lierter Massenein­wan­derung“ und „Ter­rorge­fahr“ befeuert. Auch fernab aktueller The­men ist der neurechte Vor­denker regelmäßiger Gast. So behan­delte ein weit­erer Vor­trag von ihm das Wirken des völkischen Nation­al­is­ten Edgar Julius Jung anlässlich dessen 80. Todestags.
Hier­bei decken sich die Vorträge inhaltlich mit dem Ange­bot der BdK, die aus dem Nach­lass des ehe­ma­li­gen „Criticón“-Herausgebers Cas­par von Schrenck-Notzing ent­stand. Sie beherbergt neben den Klassikern der sog. „Konservativen Revolution“ den „gesamten Kanon der deutschen extremen Rechten.“

Das passende Buch zu Tibis Vortrag, diesen Oktober im Ibidem-Verlag veröffentlicht.
Das passende Buch zu Tibis Vortrag, diesen Oktober im Ibidem-Verlag veröffentlicht.

Warum Tibi der Neuen Rechten nützt

In der BdK treten jedoch nicht nur Weiß­mann oder der „Junge Freiheit“-Chefredakteur Stein auf, son­dern auch Poli­tik­erIn­nen der AfD und des rechten Rands der CDU. Die poli­tis­che Funk­tion der Bib­lio­thek ist neben der nach innen gerichteten Schu­lung der eige­nen Kader die Ver­fol­gung einer klassisch-neurechten Strate­gie im Sinne der „Metapoli­tik“. Nicht in der konkreten Parteiar­beit wird poli­tis­cher Nutzen gese­hen, son­dern im Set­zen eigener Inhalte im soge­nan­nten „vor­poli­tis­chen“ Raum. Poli­tis­che Diskurse in der medi­alen Öffentlichkeit sollen mit eige­nen Inhal­ten verse­hen, die eige­nen Posi­tio­nen Schritt für Schritt als hege­mo­nial durchge­setzt wer­den. Das heißt: man will die Deu­tung­shoheit über die wichtig­sten Fra­gen des gesellschaftlichen Lebens gewin­nen, um so die Gesellschaft selbst in ihrem Sinne zu gestal­ten. Für dieses Vorhaben sind gemein­hin als intellek­tuell anerkan­nte Per­sön­lichkeiten nüt­zlich, gel­ten sie doch als mei­n­ungs­bildend in poli­tis­chen Diskursen.

Dies trifft vor allem zu, wenn sich die poli­tis­chen Posi­tio­nen des als intellek­tuell anerkan­nten Bas­sam Tibi mit dem Grun­dan­liegen der Neuen Rechten, ein „Kul­tur­raum Europa“ müsse vor „frem­den Kul­turen“ geschützt wer­den, in viel­er­lei Hin­sicht decken. Es ist der beide Ansichten tief durchtränk­ende Ras­sis­mus, der Tibi und die Bib­lio­thek des Kon­ser­vatismus zueinan­der gebracht hat. Tibis Argu­men­ta­tion beruht auf einer klas­sis­chen Spal­tung des „Wir“ als ver­meintlich aufgek­lärter Westen und der „Anderen“ als rück­ständige Bedro­hung dessen. Er begreift Kul­tur nicht mehr als verän­der­bar, von Men­schen unter ihren gegebe­nen Umstän­den gemacht. Stattdessen ste­hen sich zwei homo­gene (Kultur-)Körper gegenüber, von denen es offen­bar nur einen Sieger geben kann. Wir oder sie. „Europäisierung oder Islamisierung“.

Der Göttinger Politikwissenschaftler Tibi in der Bibliothek des Konservatismus.
Der Göttinger Politikwissenschaftler Tibi in der Bibliothek des Konservatismus.

Die „Feministin“ Anabel Schunke unter AbtreibungsgegnerInnen

Auch die Göt­tinger Poli­tik– und Geschichtsstu­dentin Anabel Schunke sollte am morgi­gen Fre­itag in der Bib­lio­thek des Kon­ser­vatismus auftreten. Sie sollte dort über das in der Rechten all­seits beliebte Thema der Unter­drück­ung durch „Polit­i­cal Cor­rect­ness“ referieren, sagte aber kurzfristig aus „unauf­schieb­baren pri­vaten Grün­den“ ab. Der Vor­trag soll in Bälde nachge­holt wer­den. Die Legit­i­ma­tion für ihren geplanten Auftritt liegt wohl in ihrer Neben­tätigkeit als freie Jour­nal­istin begrün­det. Regelmäßig schreibt sie als „zutiefst Lib­erale“ für den nation­al­lib­eralen Blog „Tichys Ein­blicke“ und ver­fasste in der Ver­gan­gen­heit unter anderem für die fem­i­nis­tis­che Zeitschrift „Emma“ Beiträge. Wen­ngle­ich die Her­aus­ge­berin der „Emma“, Alice Schwarzer, immer wieder durch ihren antimus­lim­is­chen Ras­sis­mus und krude Posi­tio­nen in Erschei­n­ung tritt, ver­tritt auch die „Emma“ den fem­i­nis­tis­chen Kon­sens des Rechts auf Abtrei­bung. Auch hier muss sich die Frage gestellt wer­den, warum eine selb­ster­nan­nte Fem­i­nistin wie Schunke, die ihre poli­tis­che Selb­st­darstel­lung öffentlichkeitswirk­sam in sozialen Medien betreibt, in einer Bib­lio­thek mit dem „Son­derbe­stand Leben­srecht“ auftritt. Dieser gehört der christlich-fundamentalistischen und militant-antifeministischen Stiftung „Ja zum Leben“, die unter anderem den jährlichen „Marsch für das Leben“ in Berlin mitor­gan­isiert. Die Stiftung mit ihrer radikalen Abtrei­bungsablehnung ist in Göt­tin­gen vor allem über einen Vor­trag ihres Geschäfts­führers Man­fred Lib­ner bekannt. Dieser hielt 2009 auf dem Haus der extrem rechten Burschen­schaft Han­novera einen Vor­trag mit dem Titel „Ein Volk entsorgt seine Kinder. Die Nor­mal­ität der Abtrei­bung und das Recht auf Leben im real existieren­den Lib­er­al­is­mus“.

So kön­nen Rückschlüsse auf Schun­kes soge­nan­nten „Fem­i­nis­mus“ gezo­gen wer­den: Im Ein­klang mit dem, was Kon­ser­v­a­tive bis Rechte „fem­i­nis­tisch“ nen­nen, ist es schlicht Ras­sis­mus, der sich ver­steckt hin­ter dem Gerede von ver­meintlicher Emanzi­pa­tion von Frauen. Tat­säch­lich aber wird durch diese Strate­gie Hetze gegen Geflüchtete, Peo­ple of Color, gegen einen ver­meintlichen „mus­lim­is­chen Kul­turkreis“ betrieben. Wenn Schunke in ihrem „Emma“-Artikel über die Köl­ner Sil­vester­nacht und die mas­siven sex­uellen Über­griffe schreibt, schweigt sie über die Rape Cul­ture in der Mehrheits­ge­sellschaft und pro­jiziert sie auf „die“ Geflüchteten. Als wäre das Prob­lem Sex­is­mus kein Prob­lem in der bun­des­deutschen Gesellschaft, als wären Abschiebung und die „Fes­tung Europa“ ein wirk­sames Mit­tel dage­gen. Für Schunke, deren Frauen­sol­i­dar­ität offen­sichtlich an den deutschen Gren­zen endet, ist der Kampf gegen Geflüchtete offen­bar so viel wert, einen Grund­kon­sens aller fem­i­nis­tis­chen Bewe­gun­gen fallen zu lassen und sich mit einer zutiefst antifem­i­nis­tis­chen Extremen Rechten gemein zu machen.

Das Problem heißt Rassismus: Schunkes menschenfeindliche Post werden auf Facebook von 13.000 Followern verfolgt.
Das Problem heißt Rassismus: Schunkes menschenfeindliche Post werden auf Facebook von 13.000 Followern verfolgt.
Schunke als Idealbeispiel dafür, wie eine feministische Islamkritik eben nicht aussehen sollte.
Schunke als Idealbeispiel dafür, wie eine feministische Islamkritik eben nicht aussehen sollte.
Ankündigungstext zu Schunkes Vortrag in der Bibliothek des Konservatismus.
Ankündigungstext zu Schunkes Vortrag in der Bibliothek des Konservatismus.