Am vergangenen Samstag, 18. Februar, demonstrierten rund 800 Rechte in Sofia anlässlich des Todestags von Hristo Lukov. Mit Fackeln zogen sie zum Haus des Generalleutnant. Unter den Teilnehmenden waren einige deutsche Rechtsextreme.
von Mikkel Hansen und Marian Ramaswamy
Es ist 20 Minuten vor fünf: Der sonst von Tourist*innen und Hundehalter*innen belebte Bulgaria Square ist wie leergefegt. Nur wenige Menschen sind an diesem Tag auf dem Platz unterwegs. Einerseits, weil die Wolkendecke grau und trüb und andererseits, weil vor dem National Palace of Culture am Nachmittag der Startpunkt einer neonazistischen Demonstration ist. An jedem Zugang zum Square stehen einzelne Polizeigrüppchen. Während die wenigen Tourist*innen den Platz bestaunen und nur wenige Spaziergänger*innen mit ihren Hunden über den Platz schlendern, kommt eine etwa 60-köpfige Gruppe grölend auf den Square. Überwiegend Männer. Dabei haben sie eine überdimensionale Fahne mit dem Porträt von Hristo Nikolov Lukov. In Begleitung von ca. sieben Polizist*innen wird die skandierende Horde – unter ihnen Hooligans des Fußballvereins von CSKA Sofia – über den Platz zum Startpunkt der Veranstaltung geführt. Da es noch mehr als 40 Minuten bis zum Auftakt sind, zerstreut sich die Gruppe in verschiedene Richtungen. Unbehelligt bewegen sich die Kleingruppen über den Platz.
Zehn nach fünf: Nach und nach treffen Demonstrationsteilnehmer*innen am Startpunkt der Demonstration ein. Eine Veranstaltung im Gedenken an Hristo Lukov. Der Generalleutnant und Führer der Partei „Union der bulgarischen Nationalen Legionen“, der während des ersten Weltkriegs aufstieg, kollaborierte während des zweiten Weltkriegs mit dem deutschen Faschismus. Am 13. Februar 1943 wurde Lukov von Ivan Burudzhiev und Violeta Yakova, zwei kommunistischen Partisan*innen, erschossen. Die bulgarische extreme Rechte stilisiert Lukow zum „Kriegshelden“ und zum Opfer einer vermeintlich jüdischen Verschwörung: Ausdruck des antisemitischen Inhalts des seit 2003 stattfindenden Lukov-Marschs. Veranstalterin des Gedenkes ist die nationalsozialistische ultranationalistische Partei „Bulgarian National Union“ (BNU). Am Marsch beteiligt sich neben deutschen und polnischen Rechtsextremen auch das neofaschistische „Nordic Resistance Movement“ aus Skandinavien. Auch lokale extreme Strukturen wie der bulgarische „National Resistance“ nehmen an der Veranstaltung teil. Anhänger dieser Gruppierung sind immer wieder an Anschlägen und Angriffen auf Homosexuelle, Linke und Roma beteiligt. Im Jahre 2013 versuchte die Neonazi-Gruppe mit dem militanten Netzwerk „Blood & Honour“ und Ultras die Partei „Nationalistische Partei Bulgariens“ zu gründen.
Die Hauptorganisatoren des Lukov-Marsches sind Andronov Zvezdomir und Plamen Dimitrov – beide BNU. Dimitrov pflegt internationale Kontakte. Beispielsweise trat er am 04. Juni 2016 beim „Tag der deutschen Zukunft“ in Dortmund auf. Auf der Veranstaltung, welche hauptsächlich von „Die Rechte Dortmund“ organisiert wurde, warb er für den Lukov-Marsch 2017. Die deutsche Übersetzung der auf Bulgarisch gehaltenen Rede verlas Matthias Deyda, der auch auf dem diesjährigen Lukov-Marsch als Redner ein Grußwort der Partei „Die Rechte“ hielt. Dies belegt die enge Zusammenarbeit zwischen den beiden extrem rechten Parteien BNU und „Die Rechte Dortmund“. So reisten, wie in den vergangenen Jahren, mehrere Neonazis der deutschen Kleinpartei in die bulgarische Hauptstadt. Neben Vertreter*innen von „Die Rechte“ nahm auch eine Delegation der rechtsextremen Partei „Der III. Weg“ um den Vorsitzenden Klaus Armstroff teil. Zudem war die langjährige Neonazi-Aktivistin und selbsternannte Leiterin der „Identitären Aktion“, Melanie Dittmer, in Sofia vor Ort.
Sowohl Dittmer als auch Anhänger*innen der Partei „Die Rechte“ reisten nicht nur für den Lukov-Marsch nach Sofia. Sie nahmen mit weiteren internationalen Neonazis an der Kundgebung des BNU am Freitag vor dem Haus des Gemeinderates teil. Rund 30 extrem Rechte protestierten gegen den Versuch des Bürgermeisters, den Aufmarsch zu verbieten bzw. einzuschränken.
Wenige Minuten nach halb sechs: Einheiten der Polizei ziehen sich auf dem Platz zusammen und bilden die ersten Meter ein Spalier. Die Teilnehmer*innen der Veranstaltung stellen sich in Reih und Glied auf. In paramilitärischem Charakter und mit Kommandos wird die genau geplante Aufstellung von den Ordnern formiert und durchgesetzt.
Vorneweg eine Frau mit dem Porträt des zu gedenkenden „Helden“ Lukov. Daran anschließend die verschiedenen Blöcke: Nationale Garde, internationaler und der nationale Block. Start der Demonstration: Vom Platz geht es zur Vasil Levski Straße. Zu Beginn der Straße hält die Polizei den Marsch auf und teilt den Demonstrationszug von etwa 800 Teilnehmenden in mehrere Blöcke ein. Mit dem Einsatzkonzept soll augenscheinlich Ausschreitungen vorgebeugt werden. Denn Kleingruppen sind leichter unter Kontrolle zu halten als eine große Masse. Nach der Einteilung geht es im größeren Abstand für die einzelnen Blöcke etwas mehr als einen Kilometer über die abgesperrte und leere Vasil Levski Straße. Lediglich Buse befahren noch die Straßen. Die nur spärliche Straßenbeleuchtung verleiht dem Aufmarsch eine gespenstische Atmosphäre.
Erneut ein Stopp. Mehr als eine halbe Stunde, weil die Blöcke wieder zusammengeführt werden. Der gesamte Demonstrationszug zieht gemeinsam nach langem Warten weiter zum Vasil Levski Square. Dort steht auf einer Verkehrsinsel das Denkmal für den Separatisten Vasil Levski. Teile der Demonstrationsspitze legen am Fuße des Monuments bunte Blumen und Kränze nieder. Die anderen Teilnehmenden entzünden zeitgleich Fackeln und einige Bengalische Lichter. Obwohl Levski für eine demokratische Republik stand, erinnern die Rechtsextremen an ihn. Ein Versuch, an den gesellschaftlichen Diskurs um den Nationalhelden Levski anzuknüpfen und das nationalstaatliche Gedenken für sich zu instrumentalisieren. So soll auch das Gedenken an den Antisemiten Lukow gesellschaftsfähig werden.
Nach der Zwischenkundgebung zieht der Fackelmarsch zum ehemaligen Haus von Lukov, welches auch gleichzeitig der Ort des Attentats war. Zum Abschluss werden mehrere Redebeiträge gehalten. Gegen 21 Uhr endet die Veranstaltung.
Widerstand suchte man an diesem Tag fast vergeblich: Nur ein Transparent von Studierenden hängt am Universitätsgebäude, am Rande der Route. Zu lesen ist „Lukow ist tot. Seine Ideen auch! FCK
NZS“. Eine Gegendemonstration gegen den Lukow-Marsch fand bereits am Sonntag, 12.02.2017, statt. Grund für die vorzeitige Demonstration ist die starke Gefährdung für den antifaschistischen Protest durch die hunderten Neonazis und der Unwillen der Stadt eine antifaschistische Demonstration an diesem Tag zu genehmigen. An der diesjährigen Demonstration beteiligten sich etwa 400 Menschen. Mehr als in den letzten Jahren. Ein Antifaschist aus Bulgarien zeigt sich dennoch enttäuscht; insbesondere über die Beteiligung aus Deutschland. Denn trotz einer Mobilisierungstour der Gruppe „Antifa Bulgarien“ kamen nur wenige Antifaschist*innen aus Deutschland zu den Aktionen nach Sofia.