Jürgen W. organisierte am ersten Septemberwochenende eine paramilitärische Übung mit anschließendem Scharfschiessen. Der Organisator hat Verbindungen zu Personen mit extrem rechter Einstellung. Unter den Teilnehmenden befand sich der gewaltaffine Neonazi Holger Weidner.
von Mikkel Hansen
Abgelegen, zwischen Wald und Umspannwerk liegt, ein verwaistes Gelände. Umgeben ist es von einem rostigen Stacheldrahtzaun. Nur Überwachungskamaras lassen erkennen, dass das Objekt noch genutzt wird. Das in Hallendorf, einem Stadtteil von Salzgitter, liegende Gelände dient derzeit Lasergame-Spieler*innen als Übungsplatz.
Schüsse von Rechts
Am 03. September veranstaltete Jürgen W. auf diesem Gelände eine paramilitärische Übung. Unter dem Titel „Tactical Command Course Part 1“ bewarb er das Training für den Häuserkampf auf Facebook. Oftmals wird bei Airsoft-Games argumentiert es handle sich lediglich um ein Spiel, in dem zwei Mannschaften gegeneinander kämpfen und versuchen ein Ziel zu erreichen. Beim „Tactical Command Course“ war das jedoch zweitrangig. Im Vordergrund stand das Erlangen taktischer und militärischer Fähigkeiten. Das konnte bereits dem Ankündigungstext entnommen werden: „Vorrücken im Gebäude/ Einsatz von Rauch/ Blendmitteln, Ablenkung/ in welcher Formation rücke ich am Besten vor, richtige Teamleitung.“ Die militärische Ausrichtung war auch an den beiden Trainern erkennbar. Der erste, Jürgen W. selbst, sei „Personenschutz Kommandotruppführer, Ex-Militär sowie u.a.in Israel ausgebildeter Nahkampf (KRAV MAGA) Experte“ und habe „mehrere Einsätze in Israel, Ukraine, China, Afghanistan sowie vereinzelt in Afrika“ absolviert. Der zweite Lehrgangsveranstalter sei ein „ehemaliges Mitglied des Diplomatic Security Service“ und habe mehrere Jahre in „Afghanistan das Auslandsdienst/Geheimdienst Beratungsprogramm betreut!“, in „Zusammenarbeit“ mit Einheiten der Söldnerfirma Blackwater. Der militärische Charakter war wohl ein Grund, warum der Ort geheim gehalten wurde.
Frühzeitig trafen die ersten Teilnehmer*innen ein – lange vor dem geplanten Start um 10 Uhr. Unter ihnen war der Neonazi Holger Weidner aus Goslar. Er und der Organisator sind auf Facebook befreundet, was darauf schließen lässt, dass dem Veranstalter die rechtsextreme Einstellung seines Freundes bekannt sein dürfte. Denn Holger Weidner lehnt auf seinem Profilbild an einem weißen Auto und hält eine schwarz-weiß-rote Fahne mit dem Aufdruck „Für ein freies souveränes Deutschland“ ausgebreitet in den Händen.
In Goslar ist es in den letzten Monaten immer wieder zu gewalttätigen Angriffen von Neonazis auf Antifaschist*innen gekommen. Am 12. Dezember zogen laut einer Chronik „eine Handvoll Neonazis mit Mundschutz und Quarzhandschuhen bewaffnet durch die Goslarer Innenstadt auf der suche nach politischen Gegnern“. Weiter heißt es in der Chronik zu rechten Aktivitäten: „In Seesen versuchte sich eine Gruppe von ca. 25 vermummten Rechten Zutritt zu einer Informationsveranstaltung der Stadt Seesen zur Flüchtlingsunterbringung zu verschaffen.“ Die gesamte Chronik findet ihr hier.
Fragwürdige Freunde
Der Veranstalter, Jürgen W., pflegt nicht nur zum Neonazi Weidner Kontakt, sondern hat Verbindungen zu verschiedenen Personen mit rechtsextremer Einstellung. Auf einem Foto posiert er gemeinsam mit sechs Freunden: Einer von ihnen trägt ein schwarzes T-Shirt mit der weißen Aufschrift „14 words“ – ein in der Neonaziszene beliebter Zahlencode für den Ausspruch des US-Neonazis David Eden: „We must secure the existence of our people and a future for white children“ („Wir müssen die Existenz unseres Volkes und die Zukunft weißer Kinder schützen“). Auf Facebook hat Walter mehrere rechte Seiten geliked, unter anderem verschiedene Kreisverbände und Politiker*innen der „Alternative für Deutschland“, „Bürger sagen Nein“ sowie „Pegida Wien“.
Der gewaltbereite Holger Weidner war Spitzenkandidat der NPD Goslar zur diesjährigen Kommunalwahl. Antreten konnte er jedoch nicht, da ihm die nötigen Unterstützungsunterschriften fehlten. An extrem rechten Aufmärschen ist er regelmäßig organisatorisch beteiligt, u.a. „Magida“ (Magdeburger Ableger von Pegida) und „Goslar wehrt sich“. Zudem nimmt er bundesweit an Demonstrationen der extremen Rechten teil. Die gesamte Veranstaltung bewegte sich im rechtlich legalen Rahmen. Das aber gewalttätige Neonazis militärische Grundkenntnisse erlangen und offenbar mit scharfen Schusswaffen hantieren, bedeutet, dass sie den Einsatz von Gewalt gegen politischer Gegner*innen professionalisieren.
Am späten Samstagnachmittag ging das Programm weiter. Teilnehmer*innen, denen das Schießen mit Attrappen nicht ausreichte, fuhren in einem Autokonvoi und mit Funk – Teil der Übung – in das etwa 30 Minuten entfernte Seesen-Rhüden zum Schießstand. Dort angekommen, lagen bereits die Schusswaffen bereit. Beispielsweise das „G36 Sturmgewehr/SL8, 357er Magnum, Desert Eagle, Benelli Pumpgun, K98“ und „9mm Modelle“. Bevor es zum Schießen ging, gab es noch eine kleine Stärkung. Anschließend durfte dann mit scharfen Waffen gefeuert werden.