Die AfD Weserbergland äußert sich zum Beschluss gegen den NS-Verbrecher Oskar Gröning – und offenbart: Die Bezeichnung der Partei als „euroskeptisch“ oder „konservativ“ verkennt deren geschlossen rechtsextremes Weltbild.
von Mikkel Hansen
Historische Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH): Am 28. November 2016 bestätigten die Richter*innen das Urteil des Landgerichts Lüneburg. Dieses hatte den ehemaligen SS-Mann Oskar Gröning wegen Beihilfe zum Mord in 300.000 Fällen zu vier Jahren Haft verurteilt. Opfervertreter*innen hatten diesen Paradigmenwechsel in der Rechtsprechung lange erhofft. Der Rechtsanwalt Thomas Walther, der im Prozess gegen den ehemaligen Wachmann in Auschwitz mehrere Nebenkläger*innen vertrat, reagierte erfreut. Mit dem Beschluss sei es künftig „juristisch einfacher, ehemalige SS-Männer anzuklagen und zu verurteilen“, sagte er gegenüber Spiegel Online. Auch der Leiter der zentralen Stelle der Länder zur Aufklärung von NS-Verbrechen in Ludwigsburg, Oberstaatsanwalt Jens Rommel, befand die Entscheidung des BGH als eine „ganz wichtige“.
Die AfD Weserbergland reagierte mit einem Post auf den Beschluss des BGH, in dem der Nationalsozialismus relativiert wird. Etwas Gutes daran sei, dass „sich demnächst niemand mehr in der bundesdeutschen Verwaltung damit herausreden“ könne, „er hätte nur die Verwaltungsvorschriften befolgt“. Verantworten müssten sich die Verwaltungsangestellten, weil sie „dafür gesorgt“ hätten, „dass kulturfremde Einwanderer auf die deutsche Bevölkerung losgelassen“ würden. Die AfD Weserbergland phantasiert „unzählige Totschlagsdelikte, Vergewaltigungen, Brandschatzungen und Raubüberfälle zusätzlich […], die es ohne beschränkte Massenmigration niemals gegeben hätte.“ Zudem wäre es im Nationalsozialismus schwieriger gewesen einen Befehl zu verweigern als heute, da „nachweislich nicht mal ein Erschießungskommando bei Befehlsverweigerung“ drohe. Hier nutzt die AfD Weserbergland die Verurteilung von NS-Verbrechen für die eigene rassistische Agenda und setzt die Beteiligung an 300.000 Morden mit der Aufnahme geflüchteter Menschen durch kommunale Verwaltungen gleich.
Der Post erschien einen Tag nach dem Beschluss des BGH auf der offiziellen Webseite des Kreisverbandes der AfD. Dem Impressum ist zu entnehmen, dass Dr. Manfred Otto für die Homepage verantwortlich ist. Er ist Vorstandsvorsitzender der AfD Weserbergland und seit den Kommunalwahlen im September Fraktionsvorsitzender für selbige im Kreistag von Holzminden. Wo er sich selbst politisch verortet, verdeutlicht ein Tweet der AfD Weserbergland: Manfred Otto posiert auf einem Foto mit dem Sprecher der AfD Thüringen, Björn Höcke. Betitelt ist das Bild mit den Worten: „Politisch voll auf einer Linie.“ Beide zählen zu den 20 Erstunterzeichner*innen der „Erfurter Resolution“, des Gründungspapiers des völkisch-nationalistischen Flügels innerhalb der AfD.
Nicht das erste Mal
Vor etwas mehr als einem Jahr organisierte die AfD Weserbergland eine Veranstaltung mit dem Schriftsteller Akif Pirinçci. Im März 2014 löste die Veröffentlichung seines Buchs „Deutschland von Sinnen: Der irre Kult um Frauen, Homosexuelle und Zuwanderer“ neuerlich eine Debatte um Integration und den gesellschaftlichen Zustand in Deutschland aus. Türkân Kanbıçak, Mitarbeiterin des Pädagogischen Zentrums Frankfurt am Main, fasste den Inhalt folgendermaßen zusammen: „Kein Stammtischthema wird ausgelassen. Denunziativ, kulturrassistisch, homophob, frauenfeindlich und voller Menschenverachtung beschwört er den ,gegenderten‘ deutschen Mann, nun endlich wieder ein ,richtiger Mann‘ zu werden, seine Angst abzulegen und sich von historischer Schuld zu befreien! Und all dies in obszöner, vulgärer, sexualisierter Sprache, damit ihn auch jeder versteht.“ Aktuell findet sich ein Auszug aus dem kommenden Buch von Pirinçci auf der Homepage des Kreisverbandes: wieder eine Schrift voller Menschenverachtung, Rassismus, Geschichtsrevisionismus und Chauvinismus. Der Schriftsteller tritt auch als Redner bei rechten Veranstaltungen, etwa bei Pegida-Versammlungen, auf.
Auf antifeministischen Demonstrationen trat die ehemalige stellvertretende Kreisvorsitzende der AfD Weserbergland, Annette Schultner, auf. Dort sprach sie sich unter anderem gegen die schulische Aufklärung zu sexueller Vielfalt aus. Des Weiteren war sie Gründungsmitglied der ultranationalistischen „Patriotischen Plattform“ innerhalb der AfD. Ein weiteres Kreisvorstandsmitglied, Gunnar Baumgart, der mittlerweile ausgeschieden ist, leugnete in einem Facebook-Post den Holocaust. Eine Distanzierung durch den Kreisvorsitzenden Otto folgte erst auf öffentlichen Druck. Nur einen Monat später wurde die Distanzierung durch das damalige Vorstandsmitglied und jetzige Kreistagsmitglied in Hameln-Pyrmont, Eckhard Reichenbach, konterkariert. In einem Leserbrief in der Deister- und Weserzeitung zieht er Parallelen zwischen Baumgart und dem „Leugner von einst“, Galileo Galilei.
Gegen Sympathisant*innen des Kreisverbandes hat die Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts der Fälschung von Wahlunterlagen sowie der Urkundenfälschung im Zusammenhang mit der Kommunalwahl am 11. September 2016 ein Ermittlungsverfahren eingeleitet.
Postings extrem rechter Seiten
Nicht nur auf der eigenen Internetseite veröffentlicht die AfD Weserbergland extrem rechte Postings. Auch auf der Facebookseite „Alternative für Deutschland – Kreisverband Weserbergland“ teilte sie über Monate hinweg zahlreiche Webseiten mit verschwörungstheoretischen, antisemitischen, antifeministischen und rassistischen Inhalten. Geteilte Beiträge extrem rechter Medien wie „Volksbote“, „Volksbetrug“ und „Identitärer Bewegung“ geben Aufschluss über die ideologische Verfasstheit der AfD Weserbergland.
Inzwischen wurde die Facebookseite „Alternative für Deutschland – Kreisverband Weserbergland“ gelöscht und eine neue erstellt. Das kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Kreisverband extrem rechten Positionen anhängt. Der Post zum Gröning-Urteil belegt einmal mehr das rassistische, menschenverachtende und NS-Verbrechen relativierende politische Programm des Kreisverbandes.